Dienstag, 26. Juni 2007

Geschichten aus dem Beruf:: Umgang mit Veränderungen. Bilder aus einem Workshop

(Mal was grundsätzliches: Dieser Artikel erhebt keinen rein-wissenschaftlichen Anspruch. Es geht ums Fabulieren, fachsimpeln und um das genüssliche Lesen. Das Ende der Spassgesellschaft ist noch- ich wiederhole: noch lange nicht in Sicht!!)

Veränderung ist ja ein aktuelles Thema. Nach einer gefühlten Nachkriegsphase beruflicher Stabilität ("einmal bei der Post-immer bei der Post") sehen sich immer mehr Menschen gezwungen, etwas neues anzufangen. Nun ist es nicht so, dass wir schon immer veränderungsfrei leben. Wir wachsen und werden wieder kleiner, wir wechseln heute die Partner und die Autos wie das Hemd. Die Mitbürger, die seit 25 Jahren auf den selben Zeltplatz bei Sankt Peter Ording fahren, werden durchaus seltener anzutreffen sein. Allerdings nimmt das Thema Veränderung bei Job und Brötchenerwerb (man lernt einen Beruf, aber man hat einen Job, es sei denn man ist Politiker oder Beamter, die reklamieren für sich noch die Berufung, als Angestellter hat man beispielsweise eher einen Lehrerjob) in den Herzen und in den Medien ( das ist eine Unterscheid!) eine größere und stabilere Rolle ein, als beispielsweise die jüngste Liaison mit der neuen Nachbarin. Politiker achten streng darauf, die Worte Anstellung oder Beruf zu vermeiden, wenn sie über die Situation der Nichtpolitiker im Lande sprechen,- hier geht es "nur" um Jobs. In diesem Wort steckt die Instabilität schon latent drin, wie der Schnupfen in der Nase. Grund genug für viele verantwortungsbewusste Führungskräfte, externe Berater einzukaufen, um die anstehenden Veränderungen wie Umorganisation, Einkommensverlust, betriebsbedingte Kündigung mit Hilfe des Externen professionell anzugehen. Auch hier macht sich schon ein gewisser Gewöhnungseffekt bemerkbar. Die gängigen Veränderungskurven und die Bilder aus der Visionsarbeit sind bei "professionellen" mit Beratungsarbeit vertrauten Gruppen leicht abgedroschen und erfordern beim Durchführen und Anwenden immer ein bisschen Geduld und Schubs. Meistens lohnt es sich, die bekannten "Turnübungen" wieder mal durchzuführen, auch wenn jede anspornende Interventionserotik flöten gegangen ist. Leicht unterliegt der Berater dem Missverständnis, den Teilnehmern im Workshop sei kotzlangweilig, wenn er versäumt, die notwendige Dynamik und Gefühlstiefe (auch bei ihm selbst!) so deutlich werden zu lassen wie nötig: Die Teilnehmer haben nach 10 Jahren Umorganisation in einer Firma und dem Verlust einiger langjähriger Gefährten die schwarzen Gefühle über die ungewisse Zukunft ziemlich in den Speichermodus "Archiv" hineingeschoben. Kartenabfragen zum initialen Aufrauhen ( "Wie geht es mir mit dem Thema Veränderung?") ergeben im Mittel 90% negativ und 5 % positive Assoziationen und einen "Weiß nicht"-Teil. Ein solcher Initialbeginn ist immer hilfreich, da wie gesagt, die bedrohlichen Gefühle zum Zwecke des Erhalts der Arbeitsfähigkeit und der professionell erforderlichen Gute-Laune-Miene (wer bei mir stänkert, fliegt gleich raus) in den sleepmodus geschaltet werden. Außerdem sollte man als Berater nicht vergessen, dass die Leitenden Angestellten, solange deren Halbwertszeit im Betrieb nicht durch Staatsanwälte oder mit dem goldenen Schuss " (4,5 Mio Abfindung) abrupt beendet wird, in den grossen Firmen jedes halbe Jahr eine neue noch buntere Sau mit noch mehr Getöse durchs Dorf treiben, um die Leute bei der Stange zu halten, die man will und den Rest möglichst in den selbst mitgetriebenen Job-Suizid zu treiben. Das "schneller-höher-weiter"- Getreibe mit bunten CI/CD-gerechten Powerpoints und Slogan-Portalen und Angsteinflöss-Excels immunisiert mit der Zeit, wie der Daueraufenthalt eines Heuschnupfenopfers in einem Heuschober. Der Berater ist also teils der schlimmste Feind des Leitenden , teils dessen raffinierter Büttel, wenn er Veränderung mit Teams in Workshops bearbeitet. Ein weiterer starker Einfluss zur indifferenten Haltung vieler Teilnehmer rührt aus den Managementfehlern beim Umgang mit Veränderung her: Es wird gleichzeitig Angst (vor Entlassung) erzeugt, weil man ja mit der zu erwartenden Leistungssteigerung liebäugelt, wie auch Ziele vorgegeben werden, dazu regnen alle paar Monate die Privat- und Trivialvisionen auf die Mitarbeiter nieder, um bald darauf durch eine weitere Privatvision ersetzt zu werden. Dies alles wird durch die angeblich hohe Veränderungsgeschwindigkeit begründet. Überhaupt sind viele WS-Teilnehmer wie auch der Berater komplett verunsichert, ob den Leitenden grade genial das auftauen-destabilisieren-bewegen-konsolidieren gelingt, oder ob es nur so aussieht, also oder ob sich die genialen Gegenstrategien der vielen Verharrer und Verhinderer und Eigenzielinhaber neutralisieren. Letztlich scheint Auftauen usw, heute gar nicht mehr notwendig. Was nicht geht, wird verkauft. Keiner weiß mehr, was Sache ist. Es geht also darum, bei den Teilnehmern Mut und Stärke zu mobilisieren, aber nicht herbeizureden oder als Popanz zum Draufhauen an die Decke zu hängen. Es geht aber auch darum, den individuellen Eigenanteil an Betroffenheit deutlich herauszustellen. Bearbeiten mit dem Ziel der Konsequenz kann man ihn nicht, sofern dies nicht im Auftrag des Beraters enthalten ist- aber als Folge einer guten Erziehung ist es mehr als angemessen, wenigstens die Türe in diesen Raum zum intensiven Reinschauen für die Teilnehmer zu öffnen.